Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften

Sebastian Hümbert-Schnurr: Visueller Eindruck und spektrometrische Analyse – Eine phänomenologische Untersuchung zur Vermittlung wahrnehmungsbasierter und physikalischer Zugänge zu Farbe

Was ist Farbe? Eine sinnliche Empfindung? Eine Veranlagung von Oberflächen, bestimmte Wahrnehmungen auszulösen? Oder eine Eigenschaft der Körper selbst? Offenbar hängt es von der Fragestellung ab, welche Auffassung jeweils zutrifft. Multiperspektivität und Interdisziplinarität sind Merkmale des wissenschaftlichen, künstlerischen und anwendungsbezogenen Diskurses über Farbe. Untersucht man populärwissenschaftliche Monografien, Physik-Rahmenlehrpläne und die einschlägige Schulbuchliteratur hinsichtlich einführender Darstellungen zum Thema Farbe, so begegnet man indessen nahezu durchgängig einem Erklärungsmuster, dessen reduktionistische Verweisstruktur typisch für die physikalischen Erklärungen optischer Phänomene im Allgemeinen ist: Sichtbares wird auf nicht Sichtbares, aber als kausal wirksam Vorgestelltes zurückgeführt. Im Falle des Phänomens Farbe spitzt sich dieser Rekurs zu einem paradox erscheinenden reduktionistischen „Kurzschluss“ zu, nämlich der Gleichsetzung von Farbe mit elektromagnetischer Wellenlänge. Dieser „Kurzschluss“ bringt die epistemologische und didaktische Fragwürdigkeit dekontextualisierter Formen von Verfügungswissen für den Lernprozess von Schülerinnen und Schülern exemplarisch auf den Punkt.

Wie eine Farbe erscheint, hängt stets von dem Umfeld ab, in dem sie gesehen wird (Simultankontrast).

Im methodischen Kontext der Phänomenologische Optik wird Farbe nicht als sekundäre Qualität aufgefasst, sondern als „das eigentlich Konstituierende des Bildes“ (Holtsmark) gewürdigt. Wir fragen nach den Gesetzmäßigkeiten des Erscheinens von Farbe im konkreten Sehakt. Ihr interdisziplinärer Charakter wird dabei nicht problematisiert, sondern genutzt. Anstatt Farbeindrücke oder gar die visuelle Wahrnehmung überhaupt als prinzipiell täuschungsbehaftet zu diskreditieren, wird die sinnlich-visuelle Kompetenz gefördert und zum Ausgangspunkt der Untersuchung von Farbphänomenen erhoben. Es wird gezeigt, wie sich immanente Struktur- und Ordnungsmerkmale unmittelbar aus der Wahrnehmung erschließen lassen, die in weiteren Schritten intersubjektiv überprüft und schließlich auch in vom Beobachter unabhängigen Versuchsaufbauten messtechnisch festgestellt werden können.

Die Realisierung intersubjektiver Vergleiche von Farbeindrücken verschiedener Personen ist bekanntermaßen problematisch. Um die Kluft zwischen dem physikalisch-messtechnischen und dem phänomenologisch-wahrnehmungsbasierten Zugang zur Farbe zu überbrücken, werden in diesem Projekt Methoden der Farbmetrik genutzt. Auf diese Weise lassen sich sowohl spektrometrische Messungen und subjektive Farbabgleiche verknüpfen, als auch die Farbwahrnehmungen verschiedener Beobachter direkt vergleichen. Die phänomenologisch gefundenen Ordnungsparameter können somit auf ihre intersubjektive Gültigkeit hin überprüft werden.

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zuletzt bearbeitet am: 13.10.2017

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